Ein mögliches Blackout und die Konsequenzen für Unternehmen

In diesem Beitrag wird konkret auf die möglichen Auswirkungen eines Blackouts auf Unternehmen eingegangen. 

Systemgefährdung durch Dominoeffekte

Es ist nicht davon auszugehen, dass ein Einzelereignis eine europäische Großstörung auslöst, sondern dass mehrere kleine, an und für sich beherrschbare Ereignisse zum falschen Zeitpunkt kumulieren und weitreichende Dominoeffekte auslösen. Und dies nicht nur im Stromversorgungssystem, sondern in allen damit verbundenen Systemen. Was dazu führt, dass es in allen stromabhängigen (Kritischen) Infrastrukturen ebenso zu Dominoeffekten kommt. Damit bricht innerhalb kürzester Zeit die gesamte Basis unseres Gemeinwohls zusammen. Ein Szenario, das zu kaum vorstell­baren Folgen führt.

Wahrscheinlichkeiten sind irrelevant

Daher sollte die aus dem Risikomanagement bekannte Wahrscheinlichkeits- und Restrisikoberechnung für die Betrachtung dieses Themas keine Rolle spielen. Für die Betrachtung und Auseinandersetzung sind die Konsequenzen ausschlaggebend. Und es handelt sich bei einem Blackout um kein Schicksalszenario, wo man nichts dagegen unternehmen kann. Ganz im Gegenteil. Die Auswirkungen werden ganz wesentlich von den präventiven Auseinandersetzungen und Vorbereitungen, sowie von den daraus zu ziehenden Schlüssen beeinflusst.

Langfristige Systemsicherheit

Ein erster Schluss sollte daher sein, dass wir bei der Systemgestaltung unserer Kritischen Infrastruktur mehr Wert auf langfristige Systemsicherheit und (Über-)Lebenssicherheit als auf Effizienzsteigerung, Optimierung und Wachstum legen sollten. Dies lässt sich zwar kurzfristig nicht rasch genug ändern, aber es ist höchste Zeit, damit zu beginnen. Nur so können die Abhängigkeiten und Verwundbarkeiten unserer Infrastruktur und damit der Gesellschaft insgesamt gesenkt werden.

Exponentiell ansteigende Auswirkungen

Ein Blackout ist nicht nur ein größerer Stromausfall. Es kommt zu exponentiell ansteigenden negativen Auswirkungen, die meist massiv unterschätzt werden. Durch die damit steigende Dynamik ist eine Beherrschung im herkömmlichen Sinn nicht zu erwarten. Das Szenario „Blackout“ stellt daher nicht nur für die Energiewirtschaft eine enorme Herausforderung dar, sondern für die gesamte Wirtschaft und Gesellschaft. Es geht daher längst nicht nur mehr um den Schutz Kritischer Infrastruktur, sondern auch um den Schutz VOR Kritischer Infrastruktur.

Kommunikation als Schlüsselfaktor

Einen ganz zentralen Punkt in der Auseinandersetzung stellt die Kommunikation dar. Etwa in Form der derzeit weitgehend kaum vorhandenen Risikokommunikation, um über die potenzielle Möglichkeit eines solchen Szenarios und den erwartbaren Auswirkungen breit zu informieren. Oder die vorsorgliche Festlegung von Abläufen und Kommunikationsmaßnahmen, da im Krisenfall ein Großteil der technischen Kommunikationskanäle nicht mehr zur Verfügung stehen wird. Dies auch, um möglichst rasch die gewohnten Abläufe zu unterbrechen und um in einen weitgehend „gesellschaftlichen Notbetrieb“ überzugehen.

Unterschätzte Nachwirkungen

Auch die Folgewirkungen eines Blackouts werden meist massiv unterschätzt. Denn auch wenn die Stromversorgung wieder funktioniert, wird es noch wesentlich länger dauern, bis die Normalität in den anderen Infrastrukturbe­reichen und vor allem in der Versorgung wieder hergestellt werden kann. Besonders nachteilig könnte sich hier unsere hoch optimierte Just-in-Time Lebensmittelversorgung erweisen.

Selbsthilfe- und Selbstorganisationsfähigkeiten

Die bisherigen Erkenntnisse lassen den Schluss zu, dass ein solches Szenario nicht alleine mit den bisherigen (Top-Down) Lösungsansätzen zu bewältigen ist. Durch den sehr hohen Betroffenheitsgrad – kann sich doch niemand einem solchen Szenario wirklich entziehen – ist die breite Einbindung der Bevölkerung unverzichtbar. Die Gesellschaft zerfällt durch den Ausfall der technischen Kommunikationsmöglichkeiten temporär in Kleinststrukturen. Daher erfolgt eine Stabilisierung vorwiegend Bottom-up. Nur wenn der persönliche, familiäre Bereich vorbereitet und handlungsfähig ist und bleibt, bleiben Ressourcen für die organisatorische/unternehmerische Ebene bzw. für das Gemeinwesen. Daher sind bei der Vorbereitung immer alle drei Ebenen miteinander zu betrachten. So wie in der Realität auch alle drei miteinander eng vernetzt sind.

Was bedeutet das nun für Unternehmen?

Immer wieder ist zu beobachten, dass in Unternehmen rasch der Schluss gezogen wird, dass man eine autarke Energieversorgung für das eigene Unternehmen benötigt. Leider werden damit viele andere Abhängigkeiten nicht adressiert, bzw. das Unternehmen nicht als System betrachtet. Die Energieversorgung ist zwar ein ganz wesentlicher Teil eines Systems, aber eben nur ein Teil. Denn was nützt diese, wenn sonstige externe Abhängigkeiten (etwa Logistik, Wasserver- und Abwasserentsorgung, Kommunikation, Mitarbeiter) nicht substituierbar sind? Durch unsere hoch arbeitsteilige und vernetzte Arbeitsweise, die noch dazu sehr stark synchronisationsabhängig ist, gibt es viele wechselseitige Abhängigkeiten, die im Alltag kaum wahrgenommen werden.

Notbetrieb bzw. Notabschaltung

Daher bleibt bei einem solchen Szenario nur mehr der Notbetrieb bzw. die Notabschaltung als Option. Sprich, es muss innerbetrieblich beantwortet werden, welche Ressourcen und Vorbereitungen erforderlich sind, um das Unternehmen und nicht nur Einzelkomponenten unter diesen Bedingungen sicher „herunterfahren“ zu können. Zum Beispiel ist es für eine Molkerei ganz erheblich, ob bei einem Blackout die Anlage bzw. die Tankfahrzeuge noch gereinigt werden können, oder ob während des Stillstandes eine Verkeimung droht. Oder ob eine Aushärtung von Grundstoffen in Produktionsanlagen droht. Oder das bei einem längeren Stromausfall wichtige Prozesse (wie die Kühlung) unterbrochen werden und damit schwere Folgeschäden drohen (etwa in der Forschung).

Notfall-/Krisenplan „Blackout“

Natürlich gab es bisher auch schon Ausfallszenarien, auf die man sich vorbereitet hat. Aber dabei wird meistens davon ausgegangen, dass nur Teilbereiche betroffen sind bzw. externe Hilfe zugeführt werden kann. Bei einem Blackout ist das sehr unwahrscheinlich. Beim wetterbedingten Zusammenbruch der slowenischen Stromversorgung Anfang Februar 2014 waren zu Beginn rund 200.000 Haushalte betroffen. Internationale Hilfskräfte aus Deutschland, Österreich und Tschechien haben das Schlimmste verhindert. Bei einem europäischen Blackout sind möglicherweise 200 Millionen Menschen gleichzeitig betroffen!

 

Daher muss ein Notfall-/Krisenplan „Blackout“ weit über den gewöhnlichen Betrachtungsraum hinausgehen. Was bisher kaum der Fall ist. Darüber hinaus muss in Betracht gezogen werden, dass es durch Sekundärschäden zu Engpässen an zum Beispiel Ersatzteilen (etwa bei Aufzügen) oder bei Nahrungsmitteln aus der Glashausproduktion bzw. Massentierhaltung kommt. Es ist auch ein Unterschied, ob eine Kläranlage ausfällt, oder ob möglicherweise Tausende ausgefallen sind.

Ausnahmezustand

Ein besonders heikles Thema ist das Verhalten der Bevölkerung. Besonders wenn unklar bleibt, wie lange der Ausnahmezustand anhält bzw. wenn es zu Rückschlägen kommen sollte und sich die Versorgungslage in urbanen Räumen zuspitzt. Dann können wohl auch einzelne Plünderungen nicht mehr ausgeschlossen werden. Wobei hier der wesentliche Schaden nicht durch die Entwendung von Waren, sondern durch die möglicherweise Zerstörung von Infrastruktur (Scheiben, Kassensystem, Regale) entsteht. Damit würde es zu längen Ausfällen in der lokalen Versorgung kommen. Daher sollte der Handel Überlegungen anstellen, wie mit solchen Situationen umgegangen werden könnte. Es ist mit Sicherheit günstiger, nur die Waren zu „verlieren“ oder besser zu verschenken, als wenn auch unnötig die Infrastruktur zerstört wird. Das muss aber vor der Krise überlegt und vorbereitet werden.

 

Natürlich gibt es auch Unternehmen, die auch in einer solchen Situation noch handlungsfähig sein müssen. Etwa Sicherheitsdienstleister. Die Frage ist, wie unter derartig gravierenden Einschränkungen noch gehandelt werden kann. Ohne vorherige Überlegungen und Vorbereitungen wird das aber mit Sicherheit dem Zufall und Chaos überlassen. Dabei muss auch berücksichtigt werden, dass die organisierte/staatliche Hilfe ebenfalls nur eingeschränkt bzw. nur temporär handlungsfähig bleiben wird. Daher ist der Übergang in einen „gesellschaftlichen Notbetrieb“ um so wichtiger.

Notstand

Eine ganz wesentliche Frage lautet daher, wer und in welcher Form ruft die Krise „Blackout“ aus und erklärt damit den Notstand, damit auch die weitreichenden Maßnahmen für den „gesellschaftlichen Notbetrieb“ gerechtfertigt sind? Welche Kommunikationskanäle stehen dafür noch zur Verfügung, wenn nicht rasch gehandelt wird? Ganz abgesehen von den ungeklärten haftungsrechtlichen Fragen. Aber hier gilt genauso wie im klassischen Krisenmanagement – lieber zu früh alarmieren und genügend Kräfte mobilisieren, als zu spät. Und in letzter Konsequenz sind wir nicht nur für das verantwortlich, was wir tun, sondern auch für das, was wir nicht tun.

Krisenstäbe

Wie sich daraus ableiten lässt, ist wohl kaum ein Krisenstab auf ein solches Szenario vorbereitet. Denn in der Regel wird davon ausgegangen, dass die technischen Kommunikationskanäle funktionieren, ohne die ein Krisenstab kaum handlungsfähig ist, und dass im Zweifelsfall auf externe Unterstützung zurückgegriffen werden kann. Auch wenn vereinzelt ausfallsichere Kommunikationskanäle verfügbar sind, wird die gewohnte Kommunikation und damit die Handlungsfähigkeit doch wesentlich eingeschränkt sein. Es macht daher wohl wenig Sinn, den Krisenplan „Blackout“, wie sonst üblich, unter Verschluss zu halten. Ganz im Gegenteil. Diesen sollten möglichst viele Mitarbeiter kennen.

Schlüsselfaktor Mitarbeitersensibilisierung

Es geht nicht darum, alles bis ins letzte Detail zu planen oder vorzubereiten, denn das ist nicht möglich. Aber vorgegangene Überlegungen schaffen Handlungsspielräume, die es unvorbereitet nicht gibt. Dabei ist wichtig, dass diese Überlegungen nicht nur im kleinen Rahmen durchgeführt, sondern möglichst viele Sichten eingebunden werden. Ein erfolgversprechender Weg ist, die eigenen Mitarbeiter auf dieses Thema zu sensibilisieren und zur persönlichen Vorbereitung aufzufordern. Wenn das persönliche Umfeld vorbereitet und versorgt ist, bleiben Ressourcen für andere Bereiche, wie etwas für das Unternehmen. Darüber hinaus entstehen neue Ideen oder Handlungsoptionen, auf die man sonst nicht denkt. Die Stabilisierung im persönlichen familieren Umfeld und dann in der Gesellschaft selbst ist die Basis, damit Unternehmen wieder funktionieren können. Daher geht eine Vorbereitung im Unternehmensbereich weit über die Grenzen des Unternehmens hinaus. Genau genommen wird nur die Realität abgebildet. Den Mitarbeiter sind nicht Systemelemente des Unternehmens, sondern Umwelten, die auch in anderen Bereichen eingebunden sind.

Zusammenfassung

Das Szenario „Blackout“ ist eine reale und folgenschwere Bedrohung für unsere stromabhängige Gesellschaft, auf die wir so gut wie nicht vorbereitet sind. Die möglichen Auswirkungen übersteigen unsere Vorstellungskraft. Eine aktuelle deutsche Studie beziffert die Kosten pro Stunde Stromausfall mit rund 600 Millionen Euro.

 

Durch eine offene und transparente Risiko- und Krisenkommunikation kann eine wichtige Zeitreserve für den Fall eines Blackouts geschaffen werden. Diese kann zur Milderung der Schäden und zum raschen Wiederherstellen der Normalität beitragen.

 

Ein Blackout ist kein Schicksalszenario. Der erste Schritt ist die Akzeptanz des Risikos und der damit verbundenen Konsequenzen. Wissen alleine reicht aber nicht, es sind auch entsprechende Ableitungen und Maßnahmen im jeweiligen Umfeld notwendig. Entscheidend ist eine Bottom-up Stabilisierung, beginnend im persönlichen Umfeld. Nur so kann die Stabilität im Gesamtsystem „Gesellschaft“ wieder hergestellt werden. Dabei ist der möglichst rasche Übergang in einen „gesellschaftlichen Notbetrieb“ unerlässlich. Dieser muss aber vorbereitet und im Idealfall auch geübt werden, was wohl nur im kleinen Rahmen möglich sein wird. Unternehmen benötigen Notfall-/Krisenpläne, die beim Eintritt eines solchen Szenarios automatisch aktiviert werden, wenn die technische Kommunikation nicht mehr funktioniert, und die sicherstellen, dass das Unternehmen mit möglichst wenig zusätzlichen Schäden „heruntergefahren“ werden kann. Darüber hinaus sind Wiederanlaufpläne erforderlich, um nach der Wiederkehr der (Strom-)Versorgung möglichst rasch wieder zur Normalität zurückkehren zu können. Herangehensweisen, die durch unser heutiges Risiko- und Krisenmanagement nur teilweise abgedeckt werden.

Ungewissheit und Unsicherheit

Trotz aller möglichen Überlegungen muss mit zahlreichen Überraschungen, durchaus auch mit positiven, gerechnet werden. Wir sind als mitteleuropäische Gesellschaft nicht mehr gewohnt, mit Ungewissheiten und Unsicherheiten umzugehen. Daher ist es umsomehr wichtiger, sich mit dem Thema Resilienz auseinanderzusetzen. Denn in hoch vernetzten Systemen nimmt die Wahrscheinlichkeit von Strategischen Schocks bzw. „Schwarzen Schwänen“ – extrem seltene Ereignisse, aber mit enormen Auswirkungen – zu. Einen Vorgeschmack liefert etwa die Finanz-/Banken-/Staatsschuldenkrise, die aus einer regionalen Immobilienkrise entstanden ist und deren tatsächliches Ende nicht absehbar ist.

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