Aus den Augen, aus dem Sinn ...

Quelle: www.welt.de

 

Uralt-Reaktor soll deutschen Blackout verhindern

 

E.on darf das bayerische AKW Grafenrheinfeld abschalten, das drei Jahrzehnte störungsfrei lief. Einspringen soll nun Fessenheim – der älteste französische Reaktor, gelegen in einem Erdbebengebiet.

"Ebenfalls wurde die Annahme nachgereicht, wonach vom Betrieb des französischen Kernkraftwerks Fessenheim im Winterhalbjahr 2015/16 auszugehen ist und die Bedarfsrechnung entsprechend angepasst."

 

Ein Satz mit Sprengkraft: Er bedeutet, dass Deutschland das in 33 Betriebsjahren nahezu störfallfreie Atomkraftwerk Grafenrheinfeld nur deshalb abschalten kann, weil im Erdbebengebiet auf der französischen Seite des Rheins noch das älteste und schwächste Kernkraftwerk Frankreichs, Fessenheim bereit steht, einen deutschen Blackout abzuwenden.

 

Damit wird auch erstmals amtlich festgestellt, dass zumindest Süddeutschland vorerst weiterhin auf Atomstrom angewiesen ist. Nur wird dieser Atomstrom nun nicht mehr aus einem relativ sicheren deutschen, sondern einem vergleichsweise unsicheren französischen Atomkraftwerk kommen.

 

Das sollte neue Zweifel daran wecken, ob der hektische Atomausstiegsbeschluss der Bundesregierung 2011 eine angemessene Reaktion auf die Reaktorkatastrophe von Fukushima war.

 

Fessenheim ist mit 37 Betriebsjahren das älteste französische Kernkraftwerk. Es ist das einzige Atomkraftwerk, das Frankreichs Präsident François Hollande bereits in seiner ersten Amtszeit sofort abstellen wollte. Inzwischen wurde die geplante Abschaltung auf Ende 2016 verschoben.

 

Nach ihrem "Stresstest" für Atomkraftwerke kritisierte die EU-Kommission im Jahre 2012 die mangelhafte Erdbebensicherheit der Anlage.

 

Laut EU-Stresstest besteht jedoch die Gefahr einer Überflutung der Anlage bei einem Dammbruch des Rheinkanals. Fessenheim liegt mitten auf dem Oberrhein-Aquifer, dem größten Trinkwasserleiter Mitteleuropas.

 

So werden laut Netzagentur-Bericht bis 2015 in Süddeutschland immerhin "insgesamt 4,87 Gigawatt (etwa 63 Prozent der Gesamtleistung) als "außer Betrieb" angenommen, während nur 1,69 Gigawatt (etwa 19 Prozent der Gesamtleistung) in Betrieb genommen werden.

 

Weil in den Wintermonaten der Strombedarf stets besonders hoch ist, zugleich aber die in Süddeutschland installierten Solaranlagen in dieser Jahreszeit als Stromlieferanten weitgehend ausfallen, verpflichtet die Bundesnetzagentur die großen Netzbetreiber, Reservekraftwerke auch im Ausland zu Sonderkonditionen anzumieten, damit diese im Falle eines Versorgungsengpasses einspringen können.

 

Wie aus der Analyse der Energiebehörde hervorgeht, wächst dieser Bedarf an Reserven sprunghaft: Er wird sich seit dem Winter 2011/2012 von damals 1645 Megawatt auf 4800 Megawatt im Winter 2015/16 fast verdreifacht haben.

 

Schädliche Nebenwirkungen hat diese amtliche Beruhigungspille für Süddeutschland gleichwohl: Bei einem Großteil der im Ausland angeheuerten Kapazitäten handelt es sich um Öl-befeuerte Kraftwerke mit eher schlechter Klimabilanz.

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Kommentare: 1
  • #1

    Plötzlich Blackout! (Freitag, 11 April 2014 09:48)

    Wenn ein an und für sich gutes Ziel zum Dogma wir, dann kann es gefährlich werden. Wenn sich Rahmenbedingen für ein langfristiges Ziel wesentlich ändern, dann muss auch das Ziel angepasst werden. Leider wird immer das Gegenteil versucht.
    Eine Folge von linearem Denken bei der Bewältigung von komplexen Situationen. Wie wir mittlerweile schon aus zahlreichen gescheiterten Großprojekten wissen, kein brauchbarer Weg. Auch nicht, wenn wir hartnäckig bleiben ...