Utopien - und die Realität der Kosten

Der folgende Beitrag wurde durch Fred F. Mueller beigestellt und leicht adaptiert. Die Aussagen müssen sich nicht in allen Teilen mit der Meinung von "Plötzlich Blackout!" decken.
 
Eines der größten Probleme der Energiewende stellt die Volatilität der Ökostromerzeugung dar. Daher werden Lösungen gesucht, um diese auszugleichen. Unter anderem gibt es dazu Speicherbatterieprojekte, wie zuletzt Die Welt mit "Monster-Akku im Norden soll Flatterstrom zähmen" titelte. Dieser Lösungsansatz wird in diesem Beitrag kritisch hinterfragt.

Monster-Akku

In deutschen Bundesland Mecklenburg-Vorpommern hat viele Windenergieanlagen, aber wenig Industrie und damit kaum Abnehmer für den erzeugten Windstrom. Zusätzlich bereitet diese schwankende Produktion inzwischen immer mehr Probleme mit der Netzstabilität. Als Abhilfe hat der in Schwerin ansässige „Ökoenergie“-Anbieter Wemag AGjetzt einen Batteriepuffer errichtet, mit dessen Hilfe das Netz durch Bereitstellung sogenannter Primärregelenergie stabilisiert werden soll. Übernehmen sollen diese Aufgabe fünf große Transformatoren und insgesamt 25.600 Lithium-Ionen-Akkus. In dem künftig größten kommerziellen Batteriespeicher Europas sollen insgesamt 5 MWh Strom gespeichert und bei Bedarf mit einer Anschlussleistung von 5 MW wieder ins Netz zurückgespeist werden. [Anm: auf europäischer Ebene werden 3.000 MW an Primärregelleistung vorgehalten, die aber dringend erhöht werden müssen] Die Kosten für dieses Projekt werden auf 6 Mio. € beziffert, wovon mindestens 1 Mio. Fördergelder sind. Allein das hierfür errichtete Gebäude hat dem Zeitungsbericht zufolge die Abmessungen einer Turnhalle.

Volatilität - die Unberechenbarkeit der Erzeugungsleistung

Schwachwind-Situation beim Windstrom am 31. März 2014 (Daten: EEX)
Schwachwind-Situation beim Windstrom am 31. März 2014 (Daten: EEX)

Das große Problem bei der Wind- und Solarenergie ist bekanntlich, dass sie dann erzeugt wird, wenn Mutter Natur es zulässt (Bild 1) und nicht dann, wenn wir Menschen sie brauchen. Was daher am dringendsten fehlt sind Speicher, um z. B. Windenergie bei Starkwind „einzulagern“ und sie bei Schwachwind wieder ins Netz einzuspeisen.

 

Am 31. März wurden bei einer installierten Windenenergie-Anlagen-Leistung von 34.950 MW (35 GW) wurden zeitweise nur 50 MW (0,05 GW) und weniger geliefert. Ohne konventionelle Kraftwerke wären in Deutschland und Europa die Lichter ausgegangen. [Siehe auch 21. Jänner 2014.]

Nutzen?

Ob mit der vorgestellten „Monsterbatterie“ dieses Ziel erreicht werden kann, muss aufgrund der völlig unzureichenden Energiemengen bezweifelt werden. Darauf wird auch schon im Artikel der „Welt“ hingewiesen. De facto reicht die ganze Kapazität der 6 Mio. € teuren Installation gerade einmal aus, um die Leistung aufzunehmen, die eine einzige 5-MW-Windturbine bei geeigneter Wetterlage innerhalb einer Stunde abgibt. Ihre wirkliche Aufgabe ist deshalb auch lediglich der Ausgleich der extrem kurzfristigen zusätzlichen Schwankungen, die für die Produktion von „EE-Strom“ typisch sind. Solche Spitzen treten beispielsweise auf, wenn eine plötzliche Böe alle Propeller gleichzeitig zum Schnurren bringt. 

Primärregelenergie

Für solche „Feuerwehrfälle“ benötigen die Netzbetreiber sogenannte Primärregelenergie, mit der die besonders kritischen Netzschwankungen im Sekundenbereich ausgeglichen werden. Diese extrem schnell verfügbare Leistungsreserve kann bislang fast nur von konventionellen Großkraftwerken bereitgestellt werden. Wegen ihrer Bedeutung für die Aufrechterhaltung der Netzstabilität wird diese spezielle Leistungsbereitstellung separat abgerechnet und meist auch deutlich besser bezahlt als der Strom für die „normale“ Produktion.

 

Mit dem gezielt auf den Markt für Primärregelenergie ausgerichteten Angebot dieser Batterie-Installation soll also den sowieso schon um ihr finanzielles Überleben kämpfenden konventionellen Kraftwerken eine der letzten Möglichkeiten, noch etwas dringend benötigte Marge zu erzielen, weggenommen werden. Die gleichen Kraftwerke bleiben aber noch auf längere Sicht unverzichtbar, braucht man sie doch dringend für die Aufrechterhaltung der Energieversorgung, wenn der Wind mal nicht weht und die Sonne nicht scheint.

Eigensicht ...

Die Firma Younicos, welche die Installation geliefert hat, hält auf ihrer Homepage fest: „Willkommen im fossil-freien Sektor dieser Welt. Wir bei Younicos arbeiten an einer Zukunft in der Energie CO2-frei und erneuerbar erzeugt wird. Unsere Kernkompetenz ist die wirtschaftliche, sichere und stabile Integration von Wind- und Sonnenenergie in das bestehende Energiesystem. In Zusammenarbeit mit unseren Partnern entwerfen, bauen und betreiben wir bis zu 100 Prozent erneuerbare Energiesysteme, die heute schon wirtschaftlicher sind als fossile Systeme. Solche selbstbewussten Sprüche reizen dazu, sie einem Reality-Check zu unterziehen, vor allem mit Blick auf die Wirtschaftlichkeit. 

Zukunftsweisend?

Was die Initiatoren des Projekts nämlich übersehen haben ist die Tatsache, dass sie mit ihrem Projekt Zahlen liefern, mit denen man ganz andere Projekte im „Öko“-Bereich hervorragend auf ihre Machbarkeit bzw. ihre Wirtschaftlichkeit abprüfen kann. Gerade im Fotovoltaikmarkt wird aktuell von verschiedensten Anbietern und Interessengruppen behauptet, man könne Batterien – insbesondere Li-Ionenbatterien – in Zeiten der Überschussproduktion für die Zwischenspeicherung einsetzen. Technisch ist das zwar im Prinzip denkbar, doch nur solange, bis man einen Blick auf die erforderlichen Investitionskosten wirft. Und da kommt das hier vorgestellte Projekt ins Spiel, denn hier handelt es sich nicht um eine Bastlerlösung mit Billigmodulen, sondern um einen nach eigenem Bekunden voll professionellen Li-Ionen-Batteriespeicher. Bei dieser Lösung werden für eine Speicherkapazität von 5 MWh 6 Mio. € fällig, das entspricht einer Investition von 1,2 Mio. € pro MWh Kapazität. Was würde demnach eine solche Lösung allein schon für den in Deutschland produzierten Windstrom kosten? 

Kostenrechnung

Ende des Jahres 2013 waren in Deutschland Windräder mit einer Gesamtleistung von 32.455 MW installiert, die bei Flaute jedoch meist nur wenige Prozent ihrer nominellen Leistung abgeben. Rechnet man mit den obigen Angaben nach, was eine Batterie kosten würde, welche die Speicherung einer einzigen Stunde bei voller Leistung dieser Windenergieanlagen ermöglicht, so landet man bei 39 Mrd. €. Ein recht ordentlicher Betrag für die Speicherung gerade mal einer Stundenleistung. Für einen vollen Tag von 24 h käme man dann schon zu der noch deutlich beachtlicheren Summe von 938 Mrd. €, das entspricht einer knappen Billion. Und das nur für die Speicherung einer einzigen Tagesproduktion der zurzeit installierten Windenergieanlagen.

Unbezahlbar ...

Wie man sieht, ist diese Art von Batteriespeicher bereits zur Lösung der Probleme, die sich aus dem heute installierten Park aus Windenergieanlagen ergeben, praktisch unbezahlbar. Vollends als Stück aus dem Tollhaus entpuppt sich ein solcher Ansatz, wenn man bedenkt, dass wir im Jahre 2050 rund 80 % unseres Strombedarfs aus Wind und Sonne decken sollen. Die aktuelle deutsche Stromproduktion liegt bei 639 TWh/ Jahr bzw. 1,75 TWh/ Tag, 80 % hiervon wären demnach 1,4 TWh/ Tag. Der Speicher für einen einzigen Tagesbedarf würde eine Investition von 1.680 Mrd. € (1,68 Bio. €) erfordern. Unterstellen wir als realistischen Vorsorgefall eine 10tägige Flaute in einem Wintermonat mit minimaler Sonneneinstrahlung, so kommt man auf eine erforderliche Gesamtinvestition von 16.800 Mrd. € (16,8 Bio. €). Hinzu kommt, dass diese Übung wegen der begrenzten Lebensdauer der Batterien spätestens alle 20 Jahre wiederholt werden müsste.

 

Dass diese Zahlen völlig außerhalb jeglicher Grenzen der Finanzierbarkeit liegen, dürfte selbst Laien unmittelbar einleuchten. Selbst wenn es gelänge, die Kosten für Li-Batterien um einen Faktor 10 zu senken, bliebe dieser Speicheransatz völlig unsinnig. Dennoch gibt die Politik für eine Installation, deren Zweck einzig und allein darin besteht, die konventionellen Kraftwerke – das zuverlässige Rückgrat unserer Stromversorgung – noch weiter aus dem Markt zu drängen, auch noch Fördergelder. 

Profitmaximierung

Leider entsteht einmal mehr der Eindruck, dass mit diversen Lösungen die eigene Profitmaximierung im Vordergrund steht und nicht die Lösung unserer aktuellen und zukünftigen Systemprobleme. Und dies noch dazu auf Kosten der sehr hohen Versorgungssicherheit. Zumindest wird hier eingestanden, dass der „Flatterstrom“ von Wind- und Solaranlagen den Betrieb der Netze gefährdet, eine Tatsache, die von den Vertretern der EE-Branche bei anderen Gelegenheiten immer wieder vehement geleugnet wird. Auch zeigt dieses Beispiel deutlich, dass sich Lithium-Ionen-Batterien nicht als Puffer für die Zwischenspeicherung der Überproduktion von EE-Strom in Wind- und sonnenreichen Zeiten eignen. Diese Erkenntnis dürfte diversen Anbietern, welche zurzeit Hausbesitzern mit Solaranalgen entsprechende Lösungen aufschwatzen wollen, sicherlich gar nicht gefallen.

 

Fred F. Mueller

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Kommentare: 1
  • #1

    Plötzlich Blackout! (Dienstag, 22 April 2014 21:22)

    Dieses Batterieprojekt erscheint nicht dazu geeignet, unsere aktuellen, geschweige den zukünftigen, Probleme zu lösen. Bei unserem derzeitigen und prognostizierten Verbrauchsverhalten sind derzeit keine wirklich brauchbaren Lösungen in Sicht, mit denen die Volatilität der Ökostromerzeugung beherrschbar wäre. Schon gar nicht, wenn an der großtechnischen Netzstruktur festgehalten wird. Im dezentralen, zellulären Netz/System könnte die eine oder andere Lösung - auch ob der hohen Kosten - als Ergänzung Sinn machen.

    In Anbetracht der hier dargestellten und nicht rasch lösbaren physikalischen Herausforderungen muss auch das Thema "intelligente Steuerung / Smart Grid" kritisch hinterfragt werden. Diese kann zwar vielleicht einen Beitrag leisten, aber nicht in den Größenordnungen, von denen wir hier und heute sprechen. Daher besteht auch bei diesem Thema die große Gefahr, dass mehr Wunschdenken, als tatsächliche Realisierbarkeit besteht.