Wenn es Nacht wird über Deutschland

Quelle: www.deutscherarbeitgeberverband.de

 

Hamburg könnte die erste Stadt sein. Sie wird abgeschaltet. Es fließt kein Strom mehr, Lichter, Ampeln gehen aus, Computer bleiben stehen ebenso wie Fahrstühle, U- und S-Bahnen. Nichts geht mehr. Die Millionenstadt ist dunkel.

 

Die Hansestadt abzuschalten liegt nahe, weil sie mit ihrem extrem energiehungrigen Hafen, Industriebetrieben und zahlreichen Haushalten erheblich Leistung aus dem Netz zieht.

Das Konzept: Im Falle, dass zu wenig Strom vorhanden ist und auch nicht aus den Nachbarländern hinzu gekauft werden kann, werden einfach Verbraucher abgeschaltet. Und zwar solche, deren Abschaltung etwas bringt. Das sind große Städte.

 

Am Nachmittag ab ungefähr viertel nach drei kommt eine Wolkenfront, die Solarzellen fallen aus, es fehlen soundsoviel Tausend Megawatt. Doch kritisch, wenn die Prognose nicht stimmt, eine Wolkenfront anrückt, daher die Sonne viel früher als geplant ihre Lieferung einstellt und zusätzlich der Wind einschläft. Dann kommt von den Solardächern und Windparks kein bisschen Strom mehr.

Jetzt wird es hektisch in der Steuerzentrale: »Redispatching« nennen die Stromversorger diesen Vorgang, das entstehende totale Ungleichgewicht zwischen Produktion und Verbrauch auszugleichen.
Mit Schaudern erinnern sich Ingenieure an den Februar 2011. Damals begann es Mitte des Monats kräftig zu schneien. Der Schnee fiel auf die Solarzellen. Die konnten keinen Strom mehr liefern. Abweichungen von bis zu 1,6 GW von den Prognosen waren die Folge.

 

Die Männer in den Schaltanlagen müssen hektisch versuchen, die falsche Prognose auszugleichen und von irgendwoher Strom zu bekommen. Denn Strom muss in dem Augenblick erzeugt werden, in dem er verbraucht wird. Speichern kann man ihn nicht in größerem Maße. Denn die durch viele Köpfe geisternden "Stromspeicher" gibt es nicht und sind für die benötigten, gewaltigen Energiemengen auch derzeit nicht vorstellbar.

 

Aber was passiert, wenn es den Netzsteuerzentralen jetzt nicht mehr gelingt. Irgendwo weitere elektrische Leistung zuzukaufen? Dann wird es kritisch.

Der »Blackout« droht. Der Totalabsturz des Stromversorgungssystems. Wie Dominosteine stürzt das gesamte, sehr volatil gewordene Energieversorgungsgebilde ein.
Ein neuer Begriff ist aufgekommen, den kaum jemand kennt, der aber bald eine größere Rolle in der Energieversorgungslandschaft Deutschlands spielen dürfte.
Die sogenannte »Kaskade« setzt ein. Um einen totalen Blackout in Deutschland zu verhindern, müssen bestimmte »Verbraucher« abgeschaltet werden. Verbraucher, das bedeutet in diesem Fall große Städte oder Regionen mit hohem Stromverbrauch. Dort wird es dunkel. Industriebetriebe sollen ihren Stromverbrauch drosseln. Der »Letztverbraucher« wird abgeschaltet.

 

Die Ergebnisse lassen für den Ernstfall Schlimmes befürchten: "Insbesondere im Vorfeld wurde deutlich, dass nicht alle der TenneT nachgelagerten Verteilnetzbetreiber die eigenverantwortliche Umsetzung der Kaskade im Sinne einer Koordination der wiederum nachgelagerten Netzbetreiber unabhängig von TenneT leben und eindeutig kommunizieren."
Immerhin hat sich "der Einsatz des Kommunikationsmittels E-Mail aufgrund der zeitversetzten Kommunikation und der Übersichtlichkeit als flexibel und tauglich gezeigt." Doch plagten die Fachleute in den Schaltzentralen die Probleme, die jeder Microsoft-Anwender kennt: Das Mailprogramm Outlook stürzte wiederholt ab. Die Stromversorgung Deutschlands hängt mitunter von Abstürzen von Microsoft-Ware ab.

Kommentar schreiben

Kommentare: 1
  • #1

    Plötzlich Blackout! (Dienstag, 17 Juni 2014 16:02)

    Solche Geschichten sind leider die Basis für Katastrophen.

    Wenn so viele Bedingungen zusammenpassen müssen, wird es gefährlich. Denn hier gibt es keine Fehlertoleranz - und im europäischen Stromversorgungssystem wirken sich Störungen wahrscheinlich auf das gesamte System aus - es fehlen die Reichweitenbegrenzungen. Der Markt zeigt hier seine negative Wirkung.