SMART GRID – Das Stromnetz der Zukunft?

Quelle: Verfassungsschutzbericht 2014

 

Vor dem Hintergrund einer anhaltenden Bedrohung durch terroristische Anschläge, Katastrophen, Organisierte Kriminalität und Computerkriminalität einerseits und der zunehmenden Abhängigkeit der Bevölkerung von funktionierenden Infrastrukturen andererseits gewinnt der Schutz kritischer Infrastrukturen (SKI) zunehmend an Bedeutung. Vor allem der Energiesektor hat mit seiner zentralen Rolle für beinahe alle Lebens- und Infrastrukturbereiche, wie beispielsweise den Lebensmittel-, Wasser-, Gesundheits-, Verkehrs- und Finanzsektor, einen enormen Stellenwert für die Daseinsvorsorge der gesamten Bevölkerung.

Österreichs Strominfrastrukturen stehen traditionell für eine sehr hohe Versorgungssicherheit. Die Stromerzeugung und -lieferung basiert vorwiegend auf einer zentral ausgerichteten Struktur, die lange Zeit von einer überschaubaren Anzahl an Großkraftwerken dominiert wurde, die je nach Bedarf sehr hohe Stromvolumina bereitstellen konnten, was die notwendige Balance zwischen Erzeugung und Verbrauch gewährleistete. In den kommenden Jahrzehnten wird sich die Strominfrastruktur, nicht zuletzt wegen des steigenden Energiebedarfs sowie der Integration verschiedener erneuerbarer Energien, die punktuell kleinere Volumina bereitstellen, sowie dem Streben nach mehr Energieeffizienz und -unabhängigkeit, von einer zentral zu einer dezentral gesteuerten, „smarten“ Elektrizitätsversorgung verändern, da die bestehenden Strominfrastrukturen zunehmend an die Grenzen ihrer Belastbarkeit gelangen.

 

Dieser Paradigmenwechsel soll in Form von intelligenten Stromnetzen, den Smart Grids, vollzogen werden, wodurch auf Basis moderner Informations- und Kommunikationstechnologie Netzkomponenten, Erzeuger, Speicher und Verbraucher miteinander verbunden werden.

 

Durch die dynamische Steuerung mittels neuer Mechanismen zur Stabilisierung der Netze sollen die hohe Versorgungssicherheit sowie die Netzstabilität auch weiterhin gewährleistet bleiben. 

 

Risiken
Im Zusammenhang mit der Diskussion um die Einführung von Smart Metern werden bislang vornehmlich datenschutzrechtliche Bedenken geäußert. Das Verschmelzen von Stromversorgung und IKT birgt tatsächlich gewisse Risiken, die der Verbraucher bislang gewöhnlich mit dem Heim- bzw. Firmen-PC assoziierte und die dem durchschnittlichen Internetuser geläufig sind. Insbesondere genannt seien an dieser Stelle verschiedene Formen von Malware (Viren/Trojaner/Würmer), SQL-Injections, Denial of Service-Angriffe sowie mögliche Defekte in Hard- oder Software. Auch das bestehende Energieversorgungsnetz birgt das Risiko, Ziel eines – lokal begrenzten – Angriffes zu werden. Die zunehmende Vernetzung, somit die Offenheit des Systems aufgrund der hohen Anzahl der Teilnehmer, sowie die Dezentralisierung potenziert jedenfalls die Anzahl an Schwachstellen.

 

Conclusio
Die Umstellung bestehender Strominfrastrukturen auf Smart Grids soll – unter Berücksichtigung technischer, rechtlicher und ökonomischer Aspekte – das Gleichgewicht zwischen optimaler Nutzung flexibler Energieproduktion und effizienter sowie sicherer Übertragung gewährleisten. Durch die Möglichkeit, Stromerzeugnisse verschiedener Mittel- und Kleinunternehmen, vor allem der erneuerbaren Energien, aber auch privater Photovoltaikanlagen, mittels Smart Grid in das Stromnetz einfließen zu lassen, eröffnen sich zahlreiche neue Chancen. Gleichzeitig beinhalten diese Verschmelzungen mit der Informations- und Kommunikationstechnologie aber auch ernst zu nehmende Risiken. Das derzeitige Fehlen eines Kommunikationsnetzes sowie die wechselnde Verfügbarkeit von erneuerbaren und wärmegeführten Stromerzeugungsanlagen können die Stromversorgung negativ beeinflussen, da erneuerbare Energien besondere Charakteristika aufweisen und natürlichen Schwankungen unterliegen. Die flächendeckende Implementierung der neuen Technologie stellt die gesamte Energiebranche vor große technische, organisatorische, wirtschaftliche und auch rechtliche Herausforderungen. Um die Umsetzung dieser ambitionierten Ziele zu erreichen, und um weiterhin die hohe Versorgungssicherheit zu gewährleisten, bedarf es eines gemeinsamen koordinierten und strukturierten Weges, den Vertreter aus Industrie, Energiewirtschaft und Forschungseinrichtungen vor dem Hintergrund nationaler gesetzlicher Rahmenbedingungen in Kooperation mit Behörden sowie Spezialisten aus IKT- und Cybersicherheit gemeinsam beschreiten müssen.

Kommentar

Es ist erfreulich, dass dieses Thema auch im Verfassungsschutzbericht thematisiert wird. Wobei die Herausforderungen weit über den hier dargestellten Bereich hinausgehen und in der Tragweite noch kaum erfasst sind. Aber man muss einmal damit beginnen. Vernetzte Systeme erfordern vernetztes Denken, das weit über die bisherigen Sicherheits- und Risikoanalysen hinausgehen muss.

 

Alleine Aussagen wie "Als Dreh- und Angelpunkt im Smart Grid für den Datenaustausch zwischen Erzeuger und Verbraucher fungiert das bidirektionale Smart Meter, das die Messdaten des Verbrauchers zeitnah dem zentralen Management des jeweiligen Energieversorgers übermittelt und im Gegenzug auch Daten von Seiten des Anbieters empfangen kann." weißen darauf hin, dass das Thema "Vernetzung und Komplexität" bzw. "Die vernachlässigten Schattenseiten der Vernetzung" noch nicht in die Smart Grid Diskussionen eingeflossen sind.

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